REHA-lität

HildesReise in ein besseres Leben <3

🌤️ High auf der Entzugsstation – Spoiler: keine Drogen, sondern mentale Krise und pure Freude

Montagmorgen.

Sechs Tage Detox – sechs Tage in der Psychiatrie.

Der Kaffee schmeckt bitter, die Luft ist schwer, und die Stimmung irgendwo zwischen genervt, überfordert und still.

Ich spüre, wie in mir etwas kippt.

Ich will hier raus.

Privatsphäre wird hier großgeschrieben – also theoretisch.

In der Praxis heißt das: Türen gehen ohne Klopfen auf, Leute kommen rein, Sachen verschwinden, Gerüchte entstehen, selbst beim duschen werden abgeschlossene Türen geöffnet. 

Es ist ein bisschen wie WG-Leben auf Speed – nur ohne den Spaß.

Ich merke: Ich brauche Abstand.

Morgens, bei der Medikamentenausgabe.

Ich frage vorsichtig:

„Wissen Sie, wann es endlich weitergeht Richtung Reha?“ „Ich würde gern mit der Ärztin sprechen“

Die Pflegekraft schaut in den Plan und sagt knapp:

„Die Ärztin ist gerade erst aus dem Urlaub zurück, ich glaube das geht heute nicht, reden Sie bitte mit dem Sozialdienst.“

Ich kann nichts sagen.

Nur noch nicken.

Dann drehe ich mich um und verlasse den Raum – weinend.

Tränen, einfach so.

Heiß, lautlos, befreiend und schmerzhaft zugleich.

Alle sprechen mich an, fragen was los ist, wollen trösten – aber ich will einfach nur meine Ruhe.

Kein „Wird schon wieder“, kein „Kopf hoch“.

Ich will niemanden sehen.

Ich gehe in mein Zimmer, setze mich aufs Bett und lasse es einfach laufen.

Zum ersten Mal seit Tagen weine ich richtig.

Alles in mir schreit: Ich bin hier falsch.

🚴‍♀️ Sporttherapie – Fahrradfahren

Ich fahre mit.

Weil Bewegung vielleicht hilft, wenn Worte gerade nicht gehen.

Frische Luft, Sonne im Gesicht – und für einen Moment fühlt es sich leichter an.

Aber im Kopf bleibt der Gedanke: Ich muss hier raus.

Zurück auf Station.

Ich ziehe die Jacke aus, atme tief durch – und gehe direkt zum Sozialdienst.

Wenn was passieren soll, dann jetzt. Und von allein passiert hier nichts, ich muss mich kümmern!

Ich erkläre ihm ruhig, aber mit Tränen in der Stimme: Dass ich mich hier fehl am Platz fühle. Dass mich das Umfeld mehr stresst als stabilisiert.

Dass ich nicht aufgeben will – nur weitergehen.

Er hört zu.

Wirklich.

„Ich checke die Kapazitäten in der Reha“, sagt er. „Geben Sie mir eine Stunde.“

Ich nicke.

Setze mich in den Aufenthaltsraum ans Fenster, schaue in den grauen Himmel.

Alles fühlt sich still an.

Hoffnung, ganz leise.

🕐 Eine Stunde später.

Er kommt zurück.

„Ich hab telefoniert – es gibt einen Platz. Sie dürfen morgen gehen!“

Ich kann’s kaum glauben.

Mein Herz springt, ich könnte schreien vor Freude.

Endlich. Weiter.

Doch kaum fünf Minuten später steht er wieder vor mir.

„Frau E., es gibt ein Problem. Laut Akte hängen Sie noch im Distra-Schema.“

Mir rutscht das Herz in die Hose.

„Aber ich habe nicht eine dieser Tabletten genommen!“ Ich habe keine Entzugserscheinungen und wollte nie einer dieser Tabletten zu mir nehmen, weil ich sie nicht brauche.  

Er nickt, seufzt.

„Ich kläre das mit der Ärztin. Noch ist nichts entschieden.“

Die nächsten 20 Minuten fühlen sich an wie eine Ewigkeit.

Ich laufe auf und ab, rede mir innerlich gut zu – und dann kommt er wieder.

„Alles gut. Ich hab mit der Ärztin gesprochen – Sie dürfen gehen.“

Ich atme auf.

Ich darf wirklich gehen. 🎉

🎶 Walk of Joy

Ich drehe noch eine letzte Runde mit Ole-Olé-René – zu Lidl, Aldi und sogar ins Garten- und Hobbycenter.

Ich brauche eine zusätzliche Tasche (weil ich die Pumpe für meine Vakuumbeutel natürlich zuhause vergessen habe – logistisches Genie lässt grüßen).

Wir laufen, lachen, reden.

Und irgendwo zwischen Einkaufswagen, Herbstluft und Plastikblumentöpfen merke ich: Ich bin high.

Nicht von Drogen.

Sondern von Freiheit.

Von Erleichterung.

Von mir selbst.

📍 Fazit:

Manchmal fühlt sich „gehen dürfen“ an wie fliegen.

Und vielleicht ist das genau der Moment, in dem Heilung beginnt – wenn man merkt, dass man wieder Richtung Leben läuft.

Ich bin gespannt, was mich morgen erwartet.

Zwischen 9 und 10 Uhr soll’s losgehen.

Update folgt, sobald ich wieder mehr zu erzählen habe. 🙃

Bleibt gesund und munter ihr lieben da draußen 🫶🏻

*FYI: Distra-Schema – was ist das eigentlich? Ein Schema zur Ablenkung/Distanzierung von Suchtdruck oder Cravings bei Menschen in einer Entzugs- oder Rehabilitationsstation. Solche Schemata werden oft in der Verhaltenstherapie oder Suchttherapie eingesetzt. Man bekommt also 2 Kapseln um ruhig gestellt zu werden, diese können alle 2 Stunden verabreicht werden, wenn man an Entzugserscheinungen leidet.


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